Held oder Terrorist? Julian Assanges Kampf um staatliche Transparenz

We_Steal_Secrets_PlakatDer US-amerikanische Regisseur Alex Gibney ist bekannt für seine Dokumentarfilme, die sich mit unbequemen Fragen und Wahrheiten auseinandersetzen. So beispielsweise 2007 in „Taxi zur Hölle“, wo er dem Mord an einem afghanischen Taxifahrer nachgeht, der 2002 von US-Soldaten zu Tode gefoltert wurde. 2008 gab es dafür für Gibney den Oscar für den besten Dokumentarfilm. In seinem neusten Werk widmet er sich einem anderen heiklen Thema: WikiLeaks.

Gibney erzählt We Steal Secrets: The Story of WikiLeaks in zwei parallel laufenden Geschichten, die zum Ende hin zu einer verschmelzen. Auf der einen Seite setzt sich Gibney kritisch mit dem Aufstieg und Fall des WikiLeaks-Gründers Julian Assange auseinander. Wer war er? Was machte er, bevor er hunderttausende Geheimdokumente des amerikanischen Militärs auf seiner Seite veröffentlichte? „Transparenz“ ist das Leitwort des blonden Australiers und er verfolgt es mit aller Macht – koste es, was es wolle.

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We_Steal_Secrets_4Auf der anderen Seite erzählt Gibney die Geschichte des in den Hintergrund gerückten Gefreiten Bradley Manning, der den Hype um Julian Assange erst möglich machte – und teuer dafür bezahlte. Über das Internet suchte der psychisch labile Manning Kontakt zur Außenwelt und nach Gleichgesinnten. Denn er hatte Zugang zu Dokumenten, von denen er der festen Überzeugung war, dass sie nicht der Öffentlichkeit vorenthalten werden dürfen. So auch das Video einiger US-Soldaten, die in Afghanistan aus einem Hubschrauber auf Passanten und Journalisten schossen, das weltweit für großes Aufsehen sorgte.

An dieser Stelle überschneiden sich die Interessen und Erzählstränge der Personen Assange und Manning: Beide kämpfen für ihre Überzeugung, dass es mehr Transparenz seitens der Regierungen geben müsse. Doch während Assange damit in der Öffentlichkeit als Held gefeiert und von den Regierungen verhasst wird, erhielt Manning eine lebenslängliche Haftstrafe und muss noch immer mit der Todesstrafe rechnen.

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Gibney schafft also ein Porträt zweier Menschen, die die gleichen Ziele verfolgen, jedoch an ihren menschlichen Schwächen scheitern. Vor allem die Arbeitsweise von Assange wird hier angeprangert, denn um sein Ziel zu erreichen, geht er über Leichen. Viele ehemalige Arbeitskollegen die sein Engagement zunächst teilten, haben sich von ihm distanziert, da sie ihre moralischen Werte nicht mehr mit Assanges Verbissenheit in Einklang bringen konnten. Denn Assange schreckt auch nicht vor der Gefährdung von Menschenleben zurück. Aber auch das US-amerikanische Rechtssystem wird an den Pranger gestellt hinsichtlich des Umgangs mit Bradley Manning.

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Alex Gibney schafft mit seiner äußerst umfangreich recherchierten Dokumentation einen wichtigen Beitrag zum kontrovers diskutierten Thema „WikiLeaks“. Im letzten Viertel der 130-minütigen (!) Doku verliert Gibney seine journalistische Neutralität, die er zuvor so gut aufrechterhalten konnte, indem er beispielsweise komplett auf Voice-Over verzichtet und nur die Befragten zu Wort kommen lässt. Aber vielleicht ist eine gänzlich wertfreie Darstellung auch aufgrund der Länge und der Informationsdichte gar nicht möglich. Eins ist aber sicher: Er stellt kritische und vor allem wichtige Fragen, gefüttert mit brisantem und nie zuvor an die Öffentlichkeit geratenen Archivmaterial.

We Steal Secrets: The Story of WikiLeaks , USA 2013, 130′
Drehbuch und Regie: Alex Gibney
Produktion: Alexis Bloom, Marc Shmuger
Kamera: Maryse Alberti
Darsteller: Adrian Lamo, James Ball, Michael Hayden, Julian Assange (Archivmaterial), Bradley Manning (Archivmaterial)
Verleih: Universal Pictures Germany
Kinostart: 11. Juli 2013

Über Christin Ehlers

Studentin der Medienwissenschaft || Lieblingsfilme: Adams Äpfel ( A.T. Jensen, 2005), Into the Wild (S. Penn, 2007), Reservoir Dogs (Q. Tarantino, 1992), König der Löwen (Walt Disney, 1994 ), Le fabouleux destin d'Amélie Poulin (J.-P. Jeunet, 2001), Inception (C. Nolan, 2010)
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